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Institutionelle Grundlage

 

 

Der Finanzsektor verändert sich. Nein, nicht wie immer, stetig und auf sicheren Geleisen. Es sind turbulente Zeiten, die abrupte Brüche auslösen und nicht kalkulierbare  Ereignisse zur Folge haben. Damit zurecht zu kommen ist für Finanzinstitutionen besonders schwierig, da ihr Geschäft auf der Unsicherheit der Zukunft aufbaut, aber zugleich kalkulatorische Erfordernisse zur Voraussetzung hat. Und schwierig wird es umso mehr, wie um langfristige Geschäfte geht. Nicht zuletzt hat die Finanzierung von Immobilien und der Versuch, diese Risiken zu versichern, das Ausmaß der Krisenentwicklung begünstigt.


Das makroökonomische und das geopolitische Umfeld haben sich in der Krise erheblich verändert. Die sog. Nachkriegsordnung ist dabei, einer neuen globalen Ordnung zu weichen und dabei hat sich ein historisch einmaliger Prozess vollzogen, der das global genutzte Geld mehr und mehr von der  natürlichen Verankerung trennte und zum politischen Instrument machte. Dies begründete zunächst einen Aufstieg der Finanzwirtschaft gegenüber der Realwirtschaft, die in eine globale und anhaltende Krise "des Westens" führte, die heute als Große Rezession bezeichnet wird.


Wie kann sich Europa in diesem globalen Umfeld behaupten? Welche Ordnung braucht es? Zerfällt es, d.h. zerfallen die gemeinsamen Institutionen wie die Europäische Union (EU) oder das Europäische Währungssystem ESZB, weil der Euro an divergenten nationalen Zielsetzungen zerbricht, oder weil die Grenzen nicht zu sichern sind und Migration den inneren Umbruch einleitet? Die vereinbarte  gemeinsame Ordnung steht unter Druck, aus der Not heraus wurden umstrittene institutionelle Anpassungen vorgenommen und nationale Sichtweisen gewinnen auch deshalb wieder Zustimmung.


Dies hat Folgen für den Finanzsektor. Die Wohlstandsentwicklung beruht auf dem Kapitalbestand. Und Kapital wird gebildet, weil Individuen über das existentielle Minimum hinaus arbeiten, um Einkommen zu erzielen und die Überschüsse anzulegen, d.h. so verwenden, damit in der Zukunft Einkommen erzielt werden können. So entsteht Sicherheit. Kapitalbildung ist Risikoprävention, weil Rücklagen gebildet werden, die künftige Einkommensrückgänge auffangen. Vor allem der Wegfall der altersbedingten Arbeitsfähigkeit spielt dabei eine besondere Rolle. So hat Kapitalbildung in erster Linie etwas mit der Vorsorge für das Alter zu tun. Aber es bedarf auch der Anregung, Kapital zu bilden, denn die Zukunft beinhaltet Unwägbarkeiten und diese schließen den Verlust des Kapitals ein. Die staatlich gesicherten Eigentumsrechte sind dabei wesentlich, aber auch die staatlichen und privaten Systeme zur Versicherung natürlicher Risiken. Dies begründet die Rolle der Versicherungsunternehmen. Und auch der Banken, die zunächst dafür einstanden, daß Geld den sicheren Weg zu den Handelsplätzen fand. In dem Maß, wie Geld sich durchsetzte, entstand auch das Geschäft mit der Vermittlung von Schuldbeziehungen, um Kapital dort einzusetzen, wo es sich rentieren konnte. Es diente dazu, Produktionsverfahren zu verändern und Güter hervorzubringen, die das Bestehende verdrängten und daher einen wachsenden relativen Anteil an den Einkommen begründete, die in Geld gemessen als Rendite sich zeigte. Innovation war das Ergebnis der Zugangs zu Kapital und der Versicherung damit einhergehender Risiken. Je mehr dies erkannt wurde, desto größer wurde der Finanzsektor.


Als aber Geld, das wichtigste Orientierungssystem einer Wirtschaft, sich von seiner Realwertverankerung zu lösen begann, in den 1970er Jahren und man immer mehr darauf vertraute, daß auch der Blick in die Vergangenheit helfe, die Zukunft kalkulierbar zu machen, auch wenn es um finanzielle Handlungen geht, begann auch sich die Finanzwirtschaft aus der Realwirtschaft als dienende Funktion zu lösen und setzte nie gekannten zu einer expansiven Entwicklung an, bis es zum weltweiten Knall kam, als die die Mega-Bank Lehman Brothers implodierte und die globale Architektur der Finanzwirtschaft in ihren Grundsätzen erschüttert wurde.


Europa benötigt nun eine neue Marktordnung, insb. die des Finanzsektors und primär ist es der Euroraum, der neuen Regelungen zu unterwerfen ist.


Aus der Kultur Europas ist der Kapitalismus entstanden, hat sich als Erfolgsmodell verbreitet und Nachahmer in der gesamten Welt gefunden. Im Westen, genauer in dem als europäisch charakterisierte Westen, wird nun in der Krise diskutiert, welche Form des Kapitalismus die vorteilhaftere sei. Ein anglo-amerikanisches Modell und ein chinesisches Modell wetteifern um die Deutungshoheit und beide Modelle zeigen ihre Widerstandskraft, auch in der Krise. Dazwischen steht Europa, das im Kalten Krieg viel von den USA übernahm, aber doch seine eigenen Wege ging und jetzt, nach dem Zusammenbruch der UDSSR, einen ganz neuen Weg erprobt, der diesen Westen mit einem neuen Osten zu verbinden sucht.


Dieses Europa, dessen Grenzen  weniger klar sind, als vielfach unterstellt wurde, hat zwei Kerne, den Euroraum und die Europäische Union (EU). Ein Teil der Staaten, die die EU konstituieren, hat sich auf das Experiment einer Währungsunion eingelassen, um die von der neuen globalen Geldordnung ausgehenden Unsicherheiten zu begrenzen. Ein anderer Teil hat sich lediglich auf das Konzept des Gemeinsamen Marktes, also einer Freihandelsinitiative eingelassen, und betrachtet die Aufgabe der Herrschaft über Geld als souveräne nationale Aufgabe, wie auch die Außen- und Sicherheitspolitik. Aber es zeigt sich, daß die Dinge mehr verknüpft sind, als angenommen. Daher werden längst geglaubte Wahrheiten angezweifelt und die Grenzen dieses Europa werden unscharf. Neue Mitglieder kommen zwar zum Club hinzu, andere aber sollen oder wollen austreten.


Der Euro definiert die Grenzen Europas von innen her, weil er eine Ordnung erfordert, die über wirtschaftliche Erwägungen hinausgeht und ein gemeinsames Verständnis von Politik, insb. Fiskalpolitik, verlangt. Der Gemeinsame Markt definiert die Grenzen nach außen, wer darf teilnehmen und wer nicht. Grenzen sind aber auch stets auch Linien, die Wohlstandsunterschiede markieren, Begehrlichkeiten auslösen und Konflikte zur Folge haben. Je größer die Einigkeit Europas, desto stärker ist der Auftritt nach außen und so kann man sich einer Auflösung dieser Grenzen widersetzen. Die Schwierigkeit einer Vielstimmigkeit Europas  zeigt sich an den Rändern: Der Dualismus mit Russland und die Frage der Grenzziehung im Osten, sowie die Grenze im Süden, die Arabien und Nordafrika nicht hinreichenden durch das Mittelmeer abschotten kann. Neben der Großen Rezession sind es auch die neuen weltanschaulichen Konflikte, die den Ost-West-Konflikt zwar weitgehend überwunden, aber einen Nord-Süd-Konflikt hervorgebracht haben, der den Wohlstand des (nördlichen) Westens, insb. Europa, bedroht.


Was war falsch gelaufen? Wie soll die neue Ordnung der Wirtschaft, insb. die der Finanzwirtschaft, aussehen?


Es stehen nun massive Veränderungen im Finanzsektor an und die Unternehmen haben sich auf gravierende Korrekturen einzurichten, die zwar Schritt für Schritt als regulative Anforderungen auf sie zukommen, die aber in einem größeren Kontext die grundsätzlichen Bedingungen vertrauten unternehmerischen Handelns verändern werden.


Dies ist der neue Hintergrund zur Formulierung von Strategien, die über den Erfolg einzelner Unternehmen der Finanzwirtschaft, aber auch in ihrer Gesamtheit für die Wohlstandsentwicklung  Europas entscheidend sind.


PDF herunterladen: P1_Die Weiterentwicklung der EU