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Die Leiden der Geldhändler

 

 

Die jüngeren Erfahrungen der Großen Rezession  haben den Finanzsektor massiv verändert und die Finanzinstitutionen dazu gezwungen, sich auf ihre Kernkompetenzen zu konzentrieren. Der Anteil Wertschöpfung des Finanzsektors am gesamten Ergebnis der Volkswirtschaften bildet sich stetig zurück und diese Entwicklung wird anhalten. In der Folge werden auch die Produktionskapazitäten im Bank- und Versicherungsbereich reduziert.


Barcassurance muß jetzt neu definiert werden. Von den drei Treibern der Bancassurance-Entwicklung, Risikomanagement, Altersvorsorge und Marktordnung (siehe „Die weitere Entwicklung der Allfinanz und deren Konsequenzen für Banken und Versicherungsunternehmen“ von Wolfgang P. Warth in „Integration von Finanzdienstleistungen“, Herausgeber Hans Corsten und Wolfgang Hilke, Erscheinungsdatum 1999) haben alle an Kraft eingebüßt. Die Risikodiversifikation war eine Hypothese, die sich nach neuerer Erkenntnis empirisch nicht begründen läßt und vermutlich sogar auf Dauer zu verwerfen ist. Das europäische Konzept der Altersvorsorge auf der Grundlage von Schuldverträgen hat zur Errichtung eines Schuldenkartenhauses geführt, das Banken und Versicherungsunternehmen, die als Knoten in diesem System fungieren, instabil machte und diese durch bereits verschuldete Staaten gerettet werden mußten, deren Überschuldung nun auch noch das gesamte Geldsystem verunsichert. So muß auch die Altersvorsorge ausgerichtet werden. Und die Deregulierung der Marktordnungen ist inzwischen einer massiven Re-Regulierung gewichen, die darauf ausgelegt ist, Risikoinfektionen zwischen Finanzinstitutionen stark einzuschränken und durch eine Erhöhung des Haftungskapitals der Risikotragfähigkeit massiv zu erhöhen. Die Bedingungen, die zu strukturellen Veränderungen anregen, insb. Entflechtungen, werden schärfer. Banken werden künftig mit größerer Eigenkapitalausstattung weniger umfassendere Kreditportfolien halten („Deleveraging“) und Versicherungsunternehmen werden den wachsenden Kreditrisiken mit besseren Sicherheitsvorkehrungen (und Garantieeinschränkungen) begegnen.


Die Versicherer wurden in  den vergangenen Jahren immer wieder  als Stabilitätsfaktor auf dem Finanzmarkt apostrophiert und gelobt. Nun wendet sich das Blatt. Ein systemisches Risiko geht nicht nur von Banken aus, auch von Versicherungsunternehmen, die langfristige Garantien ausgelegt haben und diese nicht fristenkongruent refinanziert haben. Das betrifft vor allem die Lebensversicherung. Lehren wurden bisher nicht gezogen, von einigen Unternehmen abgesehen, die ihre langfristigen Garantien aufgegeben haben. Das Problem bleibt aber die Rentenversicherung.


im Bankensektors war die Überzeugung gewachsen, dass auch Finanzmärkte mathematisch modellierbar wären. Die Finanzkrise machte nun deutlich, dass diese Modellierungen wenig zuverlässig waren, da sie auf der Grundlage unbekannter Wahrscheinlichkeitsverteilungen standen. Die Zusammenführung von Kreditrisiken der Banken und von Versicherungsrisiken zur Diversifikation war damit nicht mehr begründbar. Da auch die typischerweise von Versicherungsunternehmen getragenen Risiken von andere Natur sind, als die der Banken, kam es dabei zur Aufspaltung von Bancassurance-Konglomeraten. Erwartungen, die sich an Kredite oder Eigenkapitalinvestitionen richten, sind empirisch weniger als Naturrisiken erfassbar, da sie durch die Handlungen der Individuen stark beeinflusst werden.


PDFherunterladen: P5_Banken und Versicherer


Die im Zuge der anhaltenden Krise vertretene Geldpolitik hat das Zinsniveau in den entwickelten Märkten stark abgesenkt. Daraus ergeben sich auch wachsende Problem der Finanzierung des Versicherungsgeschäfts. Einerseits werden die Rückstellungen für Versicherungsfälle geringer verzinst, so daß ein Druck auf die Kosten der Versicherungsunternehmen und auf Beitragserhöhungen wirkt, andererseits werden Zinsgarantien, die von Versicherungsunternehmen übernommen wurden, immer weniger einlösbar. Die Bedeutung der Versicherungsunternehmen auf dem Gebiet der Altersvorsorge wird damit weiter eingeschränkt. Altersvorsorge auf der Grundlage von Schuldvereinbarungen wird durch andere Formen, insb. die Beteiligung am Produktivvermögen, substituiert. Dies hat auch Folgen für die Vermögensverwaltung als wichtiges Standbein der Finanzinstitutionen, entweder im Zuge des Eigengeschäfts (Eigenhandel der Banken und Verwaltung von Beitragsrückstellungen der Versicherungsunternehmen) oder als Dienstleistung für Dritte. Sie kommt in dem volatilen Marktumfeld unter Druck und die tradierten Konzepte der Risikobewältigung tragen nicht mehr, da auf absehbare Sicht die Risiken aus Schuldverträgen, bisher als sicher eingestuft, die aus Beteiligungen übertreffen. Neue Lösungen sind und bedeuten den Zwang zur Konsolidierung.


Bancassurance bleibt als Strategie relevant, um das Kundenpotential auszuschöpfen und die Kundenbasis im Wettbewerb zu immunisieren. Auf längere Sicht wird aber Bancassurance eine Erscheinung in den Finanzmärkten beschreiben, die sich vor allem mit der vertrieblichen Kooperation von Kreditinstituten und Versicherungsunternehmen befasst und auf dem Bedarf der Altersvorsorge aufbaut. Daher steht die Neugestaltung der Geschäftsmodelle im Vertrieb im Vordergrund. Diese werden von einer sich stark verändernden Marktordnung auf dem Gebiet des Verbraucherschutzes entscheidend bestimmt.  Die Diskussionen über eine weitergehende Regulierung der Finanzmärkte setzt sich fort. Die instabile Lage Europas regt weitere Initiativen an und durch MIFID II und IDD werden neue Rahmenbedingungen  vorgegeben.  


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